Rückblick:
Das Holzmediensterben

05.02.2013



Gäste:


Johnny ERLING, China-Korrespondent für Die Welt und die österreichische Zeitung Der Standard

WANG Huaicheng, Redakteur der Tageszeitung Guangming Daily, von 2006 bis 2011 Deutschland-Korrespondent


Zeit:

19.1.2013, Peking


Die traditionellen Printmedien in Deutschland erleben eine schwierige Zeit, so Johnny Erling. Wobei gerade die Fälle, die als prominenteste Belege dieser Entwicklung genannt werden – die Frankfurter Rundschau und die Financial Times Deutschland – eher Opfer individueller Management-Krisen als der Branchenkrise geworden seien. Nichtsdestotrotz: Das “Holzmediensterben” werde sich nicht stoppen lassen.

Erling bedauert das nicht. Das Medium Zeitung werde verschwinden, die Verbreitung von Nachrichten auf Papier. Aber die Institution Zeitung werde fortbestehen. Guter Journalismus werde fortbestehen. Werde interaktiver, multimedialer. Die letzte gedruckte Ausgabe des US-Magazins Newsweek sei für ihn nicht ein Symbol des Verfalls, sondern eines Neubeginns.

Eine Tatsache, die Mediennutzer angesichts des riesigen kostenlosen Medienangebots im Internet wieder lernen müssten, sei, dass es Journalismus nicht umsonst gebe. Und auch die Medienunternehmen müssten den Mut haben, ihre Produkte nicht länger aus Sorge vor Leserschwund gratis zur Verfügung zu stellen, so Erling. Die New York Times habe mit ihrer flexiblen Bezahlschranke, die nach zwanzig Artikeln pro Monat aktiv wird, gezeigt, wie Online-Abonnements funktionieren können. In Deutschland sei Die Welt bereits diesem Beispiel gefolgt.

Wang Huaicheng sagte, dass die Lage für traditionelle Medien in China im Vergleich zu Deutschland noch gut sei, da viele von ihnen Förderungen vom Staat erhalten. Seine eigene Zeitung Guangming Daily etwa sei im vergangenen Jahr profitabel gewesen. Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua und der Staatssender CCTV expandierten im Ausland und stellten ausländische Journalisten ein.

Längerfristig allerdings prognostizierte Wang für den chinesische Zeitungsmarkt ähnliche Probleme wie in Deutschland. Die Entwicklung geschehe zeitversetzt. Hinzu komme, dass viele Zeitungen in China ihre Internetauftritte vernachlässigen und nicht besonders gut aufeinander abstimmen. Das erkläre, warum die meisten Online-Seiten von chinesischen Zeitungen mäßig erfolgreich sind. Wang glaubt, dass eine zweite Entwicklung der deutschen Medienlandschaft zeitversetzt in China einsetzen werde: Die Medien werden einen immer größeren Teil ihrer Inhalte von freien Journalisten zuliefern lassen. Auch die Bedeutung von investigativen Journalisten werde zunehmen.

Text: Duan Congcong

Foto: Sun Ruibo
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